Daniela Brahm John Stuart Mill No Man Made the Land

What’s got into them? 2022

Die Serie handelt von historischen Persönlichkeiten, die in unterschiedlichen Kontexten von der Notwendigkeit beseelt waren, neue Wege für einen anderen Umgang mit Grund und Boden aufzuzeigen. Ihre wirtschafts- und gesellschaftsreformerischen Vorschläge wurden in ihrer Zeit heiß diskutiert, sind aber nie umgesetzt worden. Bis heute ist das allgemeine Recht, dass die Erträge aus Bodeneigentum dem Eigentümer zustehen, unangetastet. Was ist bloß in sie gefahren, Gerechtigkeit durch die Einschränkung des Rechts auf Bodeneigentum einzufordern.

Gouache und Tinte auf Papier, jeweils 100 x 70 cm

John Stuart Mill (1806-73) war ein britischer Philosoph, Politiker und einer der einflussreichsten, liberalen Denker des 19. Jahrhunderts. Seine Auffassung nach war das private Eigentum an Land nicht Ergebnis einer gerechten Teilung oder von geleisteter Arbeit sondern von Eroberung und Gewalttätigkeit. Das unbedingte Eigentum an Boden hätte niemals gesetzlich eingeführt werden dürfen. „No man Made the Land.“ – war sein berühmter Ausspruch. Die von ihm begründeten Land tenure Reform Association forderte, dass der Bodeneigentümer zwar die Grund- rente behalten, jede Steigerung der Grundrente aber als Steuer an die Staatskasse abgegeben werden muss. Zu dem Zwecke sollte alles Land neu bewertet werden. Wäre ein Grundeigentümer mit der neuen Bewertung nicht einverstanden gewesen, müsste er es zu dem Preis an den Staat verkaufen, der zum Zeitpunkt der Reform galt.

Henry George (1839-97) war ein US-amerikanischer Ökonom und Politiker. In Pro- gress and Poverty (1879), einem der damals meistgelesenen Bücher Amerikas, legte er dar, warum das private Grundeigentum die Ursache für die zunehmende soziale Ungerechtigkeit sei. Anders als Arbeit und Kapital sollte Boden hoch besteuert werden, weil sein Wert vor allem durch die umgebende Infrastruktur, Straßen, Schulen, Kirchen bestimmt wird, eine Leistung, die die Allgemeinheit geschaffen hat und auch an diese abgegolten werden sollte. Über den Wert der eigenen Arbeit kann jeder selbst verfügen, nicht aber über die Bodenwertsteigerung, die allen gehört. Er schlug die Einführung der Single Tax vor, einer Steuer auf Landbesitz, die alle anderen Steuern ersetzen sollte. Verstaatlichungen lehnte er ab. Die leistungs- lose Grundrente zu konfiszieren hätte, so George, den gleichen Effekt, wie das Land selbst zu konfiszieren.

Mark Twain (1835-1910) war ein US-amerikanischer Schriftsteller und ist für seine genauen Beobachtungen sozialer Verhältnisse und eine scharfzüngige Kritik an der amerikanischen Gesellschaft berühmt. Wie viele Intellektuelle seiner Zeit war auch Mark Twain ein Anhänger von Henry George. Mit „Buy land they are not making it anymore“ brachte er den speziellen Charakter des Bodens ironisch auf den Punkt, denn im Gegensatz zu anderen Waren kann Boden bei Verknappung nicht zusätzlich hergestellt werden. Dass sein Ausspruch immer wieder gerne von Maklern verwendet wird, war nicht im ursprünglichen Sinne des Erfinders.

Sun Yat-sen (1866-1925) war ein chinesischer Revolutionär und Staatsmann, erster provisorischer Präsident nach dem 2000-jährigen Kaiserreich und wird als Grün- der des modernen Chinas verehrt. Seine Three principles of the people (1923) sind in Taiwan bis heute prägend. Sun war der Meinung, dass der Grund für die sozialen Probleme des Westens darin lag, dass er die Bodenfrage nicht gelöst habe. Schon 1905 schlug er eine Methode zur Selbsteinschätzung von Bodenwerten vor. Jeder Landbesitzer sollte die Bewertung seines Landes selbst vornehmen. Dem Staat soll- te dann das Recht vorbehalten sein, das Land zu diesem Preis zu besteuern oder zu erwerben. Sun ging davon aus, dass dieses System die Landbesitzer davon abhalten würde, ihr Land zu niedrig zu bewerten, denn dann würde der Staat es kaufen. Die Grundbesitzer würden es aber auch nicht überbewerten, denn das hätte eine hohe Steuer zur Folge.

Hans Bernoulli (1876-1959) war ein schweizerischer Architekt und Stadtplaner, An- hänger der Freiwirtschaftslehre und engagierte sich im sozialen Wohnungsbau mit Gartenstadtsiedlungen. Er trat für die sukzessive Kommunalisierung des Bodens ein. In Die Stadt und ihr Boden (1946) entwarf er ein Modell, das der öffentlichen Landverwaltung ermöglichen sollte, Grundeigentum gegen Staatsschuldscheine zu erwerben. Statt des Landeigentümers sollte so die öffentliche Verwaltung die Grundrente erheben und mit dem eingenommenen Geld dem Landeigentümer die Schuldscheine verzinsen. Sobald die Grundrente steigen würde, könnten aus den Überschüssen die Tilgung der Staatsschuldscheine finanziert werden.

Hans-Jochen Vogel (1926-2020) war ein sozialdemokratischer Politiker, Oberbür- germeister von München und Bundesminister für Raumordnung. Ab Mitte der 1960er Jahre bis in hohe Alter trat er gegen die exorbitant steigenden Bodenpreise an. Er forderte das direkte Abschöpfen leistungsloser Gewinne aus Bodeneigentum durch eine Bodenwertzuwachssteuer und einen Planungswertausgleich. Zudem sollte das Eigentum in Gegenden mit knappem Boden in zwei rechtliche Formen aufgeteilt werden. Den Kommunen sollte das Verfügungseigentum, also das Recht, den Nutzer und die Art der Nutzung zu bestimmen, eingeräumt werden. Die priva- ten Eigentümer dagegen sollten ein bedingtes Nutzungseigentum am Boden erhalten, die darauf errichteten Häuser aber selbst besitzen.

Texte von Daniela Brahm